Protokoll der Ötzi-Bergung
Gletscherleiche Nr. 6/1991

Donnerstag, 19.September 1991.
Die deutschen Bergsteiger Erika und Helmut Simon sind abseits des markierten Bergpfades auf dem Weg zur Similaunhütte, als sie gegen 13 Uhr 30 am Hauslabjoch in 3210 Meter Höhe eine braune, puppenähnliche menschliche Gestalt halb aus dem Eis ragen sehen. Später in der Similaunhütte berichten sie von dem Toten. Der Wirt Markus Pirpamer benachrichtigt die Gendarmerie und bricht nochmals zum Hauslabjoch auf, sieht dort die Leiche und allerlei seltsame Gegegenstände.

 
  Freitag, 20. September.
Ein Hubschrauber der Innsbrucker Gendarmerie landet gegen 14 Uhr am Hauslabjoch. Mit einem preßluftgetriebenen Schrämmhammer versuchen ein Gendarm und Hüttenwirt Pirpamer die Leiche aus dem Eis zu befreien. Dabei wird ihre linke Hüfte und der linke Oberschenkel beschädigt. Weil das Wetter sich verschlechtert, muß die Bergung abgebrochen werden. Dabei nimmt der Gendarm das Beil - er hält es für einen seltsamen, altertümlichen Pickel - mit, und gibt es am Gendarmerieposten in Sölden ab.

Sonnabend, 21. September.
Der Bergrettungsobmann Alois Pirpamer, Vater von Hüttenwirt Markus, steigt zum Hauslabjoch hoch, versucht erfolglos, die Leiche aus dem Eis zu befreien. Ein Rettungs-Hubschrauber steht nicht zur Verfügung. An diesem Tag wird der Gletschertote unter anderem noch von den zufällig in der Nähe weilenden Bergsteigern Reinhold Messner und Hans Kammerlander sowie den Volkskundlern Hans und Gerlinde Haid aufgesucht. Messner äußert nach einer Beschreibung des Beiles, daß der Tote mindesten 500, wenn nicht gar 3000 Jahre alt sein müsse.

Sonntag, 22. September.
Alois Pirpamer und ein Bekannter steigen zum Hauslabjoch. Sie pickeln die Mumie für die am folgenden Tag vorgesehene offizielle Bergung weiter frei, sammeln die herumliegenden Utensilien ein und nehmen sie in einem Plastiksack mit.

Montag, 23. September.
Reporter des Österreichischen Fernsehens haben Wind von der Sache bekommen, einen Hubschrauber gechartert und treffen um 12 Uhr 29 am Hauslabjoch ein. Der Gerichtsmediziner Rainer Henn hatte am Morgen auf seinem Schreibtisch eine Mitteilung gefunden, daß eine Gletscherleiche - die sechste in diesem Jahr - zu bergen sei und einen Hubschrauberflug arrangiert. Am Fundort wird er von einem Kamerateam empfangen. Da Alois Pirpamer berichtet hatte, der Tote liege bereits frei, hatte Henn Bahre, Schaufel und Pickel als unnützen Ballast ausladen lassen. Doch die Leiche ist über Nacht wieder eingefroren. Mit Hilfe des Eispickels und Skistockes eines zufällig vorbeikommenden Bergsteigers lösen Henn und seine Mitarbeiter die Mumie aus dem Eis - eine Szene, die später als Fernsehfilm weltweit Aufsehen erregen wird.
Leichnam und Beifunde werden in Plastiksäcken verpackt und nach Vent geflogen. Dort wird der Tote in einen Sarg gepackt - wobei wahrscheinlich der linke Arm bricht -, im Leichenwagen ins gerichtsmedizinische Institut Innsbruck gebracht und über Nacht in der Kühlkammer aufbewahrt.

Dienstag, 24. September.
Morgens früh gegen acht Uhr wird der Urgeschichtler Konrad Spindler angerufen, der kurz darauf im Institut eintrifft und das wahre Alter und die Bedeutung des Fundes erkennt.

Mittwoch, 25. September.
Der Eisforscher Gernot Patzelt und seine Mitarbeiter entdecken am Hauslabjoch den Köcher des Gletschermannes.

Freitag, 27. September.
Zwei Archäologen aus Innsbruck suchen die Fundstelle auf, bergen eine Schlehdornfrucht, Heubüschel und Lederfetzen.

2. Oktober.
Bei einer Neuvermessung der Fundstelle stellt sich heraus, daß der Gletschermann auf italienischem Gebiet gelegen hat.

3. bis 5. Oktober.
Bei einer Nachgrabung schmelzen die Forscher Schnee und Eis an der Fundstelle mit Dampfstrahler und Fön und finden den Grasmantel des Gletschermannes, weitere Leder- und Fellreste, Teile des Birkenrindenbehälters nebst Inhalt, Schnüre, Holzsplitter sowie zwei Splitter vom Halswirbel eines Steinbocks.

10. bis 25. August 1992.
Bei der 2. Nachgrabung werden eine Fellmütze des Gletschermanness werden zahlreiche kleine Reste wie Holzkohle- und Pflanzenpartikel, Haare, Insektenteile, Haut- und Muskelfetzen sowie ein Fingernagel geborgen.

 
 

 
       
 
 
 

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